Brief an MDL Petra Krebs und MDL Manne Lucha zum Biosphärengebiet

Bürgerinitiative Landschaftsschützer Oberschwaben/Allgäu e.V.

Frau MdL Petra Krebs
Herrn MdL Manne Lucha

Sehr geehrte Frau Krebs,
sehr geehrter Herr Lucha,

der Bildschirmzeitung konnten wir entnehmen, dass Sie sich für ein  Biosphären-Schutzgebiet Oberschwaben und Württembergisches Allgäu, mit Einschluss angrenzender bayerischer Gebiete, einsetzen.
Dieses Vorhaben begrüßen wir, da es sich weitgehend mit unseren Vorstellungen deckt.
Allerdings verwundert uns die Diskrepanz zum Text der Koalitionsvereinbarung mit der CDU wie auch einige örtliche Geschehnisse aus der Vergangenheit. So konnte sich Herr Minister Untersteller anlässlich seines Besuchs in Bad Wurzach 15 Windkraftanlagen auf den Randhöhen des Wurzacher Beckens, also in Sichtweite des Wurzacher Riedes, vorstellen. Zum gleichen Anlass erschien der Kreistagsabgeordnete Spangenberg (Grüne) im Foyer des Bad Wurzacher Kurhauses mit einem riesigen Plakat: „Windkraft für das Allgäu –ja, möglichst viel und so schnell wie möglich!“ Mit Landschafts- und Naturschutz hat das nichts zu tun, ebensowenig mit einem Biosphären-Schutzgebiet. 

Es ergeben sich für uns folgende Fragen: r
Bedeutet Ihr Eintreten und die Durchsetzung Ihres Vorhabens Biosphären-Schutzgebiet Oberschwaben/Allgäu das Ende des industriellen Kiesabbaus im Altdorfer Wald und Umgebung?
Ist damit die Windkraftplanung in dieser Region, incl. der aktuellen Vorhaben im Altdorfer Wald, bei Aitrach, Leutkirch (4 Anlagen mit 250 m Höhe, Abstand zur Wohnbebauung 700 m, alles in Sichtweite von Schloss Zeil), den angedachten Vorhaben bei Beuren und im Raum Bad Wurzach hinfällig?. Bedeutet dies den Verzicht auf großflächige Freiflächen-Photovoltaikanlagen (10 ha bei Haslach/Rot an der Rot, ca. 3,7 ha im Wurzacher Becken, in Sichtweite des mit öffentlichen Mitteln geförderten Aussichtsturmes im Wurzacher Ried, oder eines ca. 5,6 ha großen Solarfeldes oberhalb der Ortschaft Gospoldshofen, zwischen den Landschaftsschutzgebieten Wachbühl und Butzenmühle?.
Dieses Solarfeld wurde gegen den ausdrücklichen Willen der Mehrheit des Ortschaftsrates von Gospoldshofen genehmigt. Aus unserer Sicht bemerkenswert, dass sich vor allem CDU-Vertreter aus dem Gemeinderat und die Bad Wurzacher Bürgermeisterin (CDU), vielleicht in vorauseilendem Gehorsam zur erkennbaren Absicht der Landesregierung, gegen den Landschaftsschutz und gegen die Weitergabe einer möglichst intakten Heimat an nachfolgende Generationen entschieden haben. Bei objektiver Betrachtung kann man feststellen, dass in unserer Region fast ausschließlich der CDU angehörende Gemeinderäte, Bürgermeister und Landräte mit ihren Entscheidungen den Landschafts- und Naturschutz missachtet haben.         


Wir haben nicht aus den Augen verloren, dass einige Äußerungen von Politkern heute angesichts der nahenden Bundestagswahlen abgegeben werden. Wir kennen die Gefahr, dass so manche Äußerung nach der Wahl schnell in Vergessenheit gerät. Wir haben es uns zur Aufgabe gesetzt, nicht eingehaltene Versprechungen öffentlich zu machen und die Wortbrüchigen auch beim Namen zu nennen.

Deshalb hoffen wir, dass sich Ihr Vorhaben nicht als „heiße Luft“ oder gar als bewusste Wählertäuschung erweist. Auch die Einlassung, die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse oder mächtige örtliche Akteure hätten Ihnen keine andere Wahl gelassen, von Ihrem Vorhaben Abstand zu nehmen, werden wir nicht akzeptieren.

Der Bericht in der Schwäbischen Zeitung vom 20. April wirft allerdings Fragen bezüglich der Umsetzbarkeit Ihres Planungsansatzes auf. Windkraftanlagen auf 700 m an die Wohnbebauung heranzurücken, ist menschenunwürdig. Wenn 2 % der Landesfläche für Windkraft- und Solaranlagen festgeschrieben werden, andererseits große Flächen ausgespart bleiben sollen, (z.B.  weitgehend der Großraum Stuttgart) bedeutet dies zwangsläufig eine erhöhte Konzentration dieser Industrieanlagen an anderen Orten. Eine verträgliche Koexistenz von Arten- und Landschaftsschutz mit industriellen Windkraftanlagen und großflächigen Freiland-Solarfeldern ist aus unserer Sicht nicht möglich. Die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, wie Gesundheitsschutz vor Lärm und Infraschall, der Erhalt einer die Psyche nicht belastenden menschenwürdigen Umgebung durch Änderung von Bundes- und Landesgesetzen über die Aushebelung des Einspruchs- und Klagerechts außer Kraft zu setzen, trägt Züge eines übergriffigen totalitären Staates.

In den mehr als 1000 Bürgerinitiativen bundesweit und den mehr als 100 Initiativen landesweit haben sich zehntausende Menschen zusammengeschlossen, um sich uneigennützig, mit hohem Aufwand an Zeit und auf eigene Kosten für den Erhalt ihrer Heimat einzusetzen.
Wir kämpfen dabei gegen ideologisch gefärbte Vorgaben, vor allem aber gegen mächtige, staatlich geförderte Wirtschaftsinteressen, aber gelegentlich auch gegen Partikularinteressen.

Bei Ihrem Vorhaben könnten Sie allerdings noch auf eine nicht erwartete Gegnerschaft stoßen. Als vor ca. 25 Jahren das gesamte Wurzacher Becken zum Landschaftsschutzgebiet erklärt werden sollte, scheiterte dies an der Dominanz der Vertreter der Landwirtschaft im Bad Wurzacher Gemeinderat.
Diese zeigten sich besorgt, durch zu enge behördliche Vorschriften in ihrem praktischen Handeln behindert zu werden. Stattdessen einigte man sich, ein „Lebensraumkonzept“ Wurzacher Becken zu entwickeln. Dieses wartet noch bis heute auf seine Belebung.


Wenn sich heute Politiker mit ehrlichen Absichten unserer Anliegen annehmen, dann soll uns dies Ermunterung und Bestätigung sein. Doch viel Widersprüchliches erreicht uns fast täglich. Deshalb gilt wohl für die meisten von uns: „Die Botschaft hör´ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“!

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Schodlok